Titelbild: Bernal Saborio, unchanged, CC BY-SA 2.0

Tauchrevier, Touristenattraktion, bunte Kulisse – oder gibt´s da noch mehr?

Sie sind der Knaller jedes tropischen Urlaubsziels: Korallenriffe. Ob nun Ägypten, DomRep oder Malediven, dem Reiz der bunten Unterwasserkulisse kann sich kaum jemand entziehen. Unter Tauchern gehört es zum guten Ton, wenigstens einmal im Leben in einem ordentlichen Korallenmeer getaucht zu haben, und selbst die wasserscheuesten unter den Pauschaltouristen legen, fasziniert von der üppigen Vielfalt des Lebens unter Wasser, im Urlaub die Vollgesichts-Schnorchelmaske an um die bunte Pracht mit eigenen Augen sehen zu können.

Aber ist das wirklich schon alles? Ist ein Korallenriff einfach nur ein buntes Stelldichein von Fischen, Krebstieren und irgendwelchen anderen Lebewesen mit unaussprechlichen Namen – oder ist da noch mehr?

Was sind Korallen überhaupt?

Für Laien mag es überraschend klingen: Korallen sind Tiere. Sie ernähren sich von Plankton und Kohlenhydraten. Moment – Kohlenhydrate?  Richtig. Riffbildende Korallen beherbergen in ihrem Inneren kleine, Photosynthese betreibende Zellen, so genannte Zooxanthellen. Diese geben die Produkte der Photosynthese zum großen Teil an die Korallen ab, die sich wiederum davon erhähren. Diese Symbiose ist lebenswichtig für die Korallen, denn ohne die Zooxanthellen sterben sie in kürzester Zeit.

Korallen bilden in tropischen Meeren, in denen ganzjährig eine Wassertemperatur von mindestens 20°C herrscht, große Kolonien, die wir als Riffe kennen. Korallenriffe können gewaltige Ausmaße annehmen. Das Great Barrier Reef in Australien beispielsweise ist über 2000km lang.

Wie machen die Korallen das? Woher nehmen sie das Baumaterial für Strukturen, die so groß wie ein Gebirge werden können? Es folgt eine chemische Formel, auch wenn Stephen Hawking einmal gesagt hat, dass jede Formel in einer Publikation die Leserschaft halbieren würde:

Ca2++H2O+CO2CaCO3+2H+

Riffbildende Korallen nehmen Calcium auf, das im Meerwasser gelöst ist und bilden daraus zusammen mit Kohlendioxid, welches sie ebenfalls dem Meerwassser entziehen, Ihre Skelette. Diese bestehen überwiegend aus Aragonit, einem Calciumcarbonat. Riffe entstehen unter bestimmten klimatischen Bedingungen, indem abgestorbene Korallenskelette immer wieder von lebendem Gewebe überwuchert werden und so immer größere, zusammenhängende Gebilde formen. Fossile Riffe haben das Material für ganze Gebirge geliefert. Beispielsweise die Alpen sind zum überwiegenden Teil aus Riffen eines früheren Ozeans, der Thetys, entstanden. Mit der allmählichen Nordwärtsbewegung des afrikanischen Kontinents fielen diese erst trocken und wurden später zu einem Gebirge aufgefaltet.

Warum sind Korallenriffe so wichtig?

Korallenriffe sind außerordentlich komplexe Lebensräume, vergleichbar mit einem tropischen Regenwald oder dem Wattenmeer. Viele unterschiedliche Meeresbewohner, vom kleinen Krebschen, das im Sand lebt über die so spektakulär bunten Fische und zahllose Arten von Wirbellosen bis hin zu großen Räubern wie Haie oder Planktonfresser wie Mantas und Walhaie – sie alle sind auf ein intaktes Korallenriff angewiesen.

Aber: Das ist nicht alles. Korallenriffe haben auch global eine wichtige Funktion, die über das Bereitstellen von Lebensraum weit hinaus geht.

Calcium

Schauen wir uns die chemische Formel weiter oben noch einmal an. Korallen binden im Meerwasser gelöstes Calcium und bilden in Form ihrer Skelette gewaltige Depots. Diese Depots können zu Gesteinen verfestigen, die ganze Gebirge ausmachen können.

Diese Gebirge wiederum werden im Laufe von Jahrmillionen langsam durch Verwitterung wieder abgetragen. Das Calcium im Gestein löst sich langsam im Regenwasser auf, wird von Rinnsalen, die zu Bächen und schließlich Flüssen zusammenlaufen, wieder ins Meer gespült und der Kreislauf beginnt von Neuem. Korallen sind damit ein zentraler Teil eines globalen Calciumkreislaufs, der weit mehr in Gang hält als „nur“ die Bildung von Gebirgen. Calcium ist ein essenzieller Baustein allen Lebens, und sein wechselseitiges Vorkommen in gelöster, fester und lebender Form; sein permanentes, dynamisches Ungleichgewicht ist eine der Voraussetzungen für höheres Leben überhaupt.

Kohlenstoff

Aber damit nicht genug: Calciumcarbonat besteht nicht nur aus Calcium, sondern auch aus Kohlenstoff. Dieses bezieht die Koralle ebenfalls aus dem Meerwasser, in dem es sich vorher allerdings zum Teil aus der Atmosphäre gelöst hat. Korallenriffe haben also neben ihrer Funktion als Calciumdepot auch eine essenziell wichtige Aufgabe als Teil eines weltumspannenden Kohlenstoffkreislaufs und sind ein immens wichtiger carbon sink – eine so genannte Kohlenstoffsenke, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre bindet und aus dem Kreislauf vorerst entfernt. Korallen leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Regulation des CO2 – Gehaltes der Atmosphäre.

Korallen sind also wichtig fürs Klima?

Genau! Wir wissen nicht erst seit heute, dass ein stabiler CO2-Gehalt der Atmosphäre von etwa 300-330ppm (0,03 – 0,033%) essenziell für das Klima ist, das wir kennen und auf dem unsere gesamte Lebensweise fußt. Temperatur, globale Windverhältnisse, Meeresströmungen – es gibt kaum einen Parameter, auf den eine Abweichung der CO2-Konzentration keinen Einfluss hätte. Heißt: Ohne riffbildende Korallen würde unser weltweites Klima völlig aus den Fugen geraten. Deshalb ist ihr Erhalt von existenzieller Bedeutung.

Was kann man gegen die Zerstörung von Korallenriffen tun?

Eine Menge! Das allerwichtigste ist sicherlich der Schutz. Mechanische Beschädigungen durch andauernden Schiffsverkehr oder übermäßigen Tauchtourismus, aber auch durch häufiger auftretende und stärker werdende Stürme müssen minimiert werden. Die thermische Belastung durch höhere Wassertemperaturen schädigt die Zooxanthellen einer Koralle und lässt sie „bleichen“ – d.h. verhungern. Hier zeigt sich, wie wichtig globale Klimaschutzmaßnahmen sind, denn ist dieser Zertörungsprozess erst einmal in Gang gekommen, setzt er sich ohne Gegenmaßnahmen in einer gewaltigen Abwärtsspirale von selbst immer weiter fort.

Eine weitere, faszinierende Schutzmaßnahme für Koralenriffe ist deren Wiederherstellung. Der Biologe Dr. David Vaughan hat entdeckt, dass auch kleinste Fragmente einer intakten, lebenden Koralle in der Lage sind, neue, vollständige Korallen zu bilden, und das in erstaunlich kurzer Zeit. Vielleicht wird seine Methode in Zukunft eine wesentliche und sehr effiziente Maßnahme sein, um Korallenriffe wieder aufzubauen.

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